Was macht ein Rundfunkpfarrer?
Der Rundfunkgottesdienst mit Regionalbischof Christian Kopp am 23. Februar 2020 in der evang. Emmauskirche in Feldkirchen-Westerham erforderte umfangreiche Vorarbeiten. Verantwortlich hierfür war der Rundfunkprediger Dr. Florian Ihsen (43), München. Als zuständiger Rundfunkbeauftragter der Evang.-Luth. Kirche in Bayern für Gottesdienstsendungen beim Bayerischen Rundfunk koordinierte, leitete und begleitete er die Live-Übertragung des Gottesdienstes im Deutschlandfunk. Er ist bei derartigen Live-Veranstaltungen verantwortlich für den reibungslosen Ablauf und trainiert im Vorfeld die Pfarrkollegen und die Gemeinde.
Herr Dr. Ihsen hat bis 1990 in Feldkirchen-Westerham gewohnt, ist hier zur Schule gegangen und konfirmiert worden. Aus dieser Zeit hat er dankbare Erinnerungen an den Ort und seine Bewohner. Er wohnt und arbeitet heute in München. Die Idee zu einem Rundfunkgottesdienst in unserer Gemeinde entstand bei einem Gespräch mit Pfarrer Samuel Fischer bei der Verabschiedung von Harald Höschler im Januar 2018. Das Interview gibt Einblick in seine Arbeit.
Herr Dr. Ihsen, Sie sind Rundfunkprediger und stellvertretender Rundfunkbeauftragter der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern für Gottesdienstsendungen beim Bayerischen Rundfunk. Wie erklären Sie einem Jugendlichen Ihren Beruf - was macht ein Rundfunk-Pfarrer?
Ich mache unsere Kirche rundfunkfit für die Sendeplätze, die wir beim Bayerischen Rundfunk, in der ARD und im Deutschlandfunk haben. Wenn Kirche in den Rundfunk geht, muss sie sich an das Medium Radio und Fernsehen anpassen. Dabei helfen wir.
Das heißt konkret: Predigten und Gebete von Pfarrerinnen und Pfarrern bearbeiten, die im Radio oder Fernsehen auftreten. Pfarrpersonen und Musiker für Radio- und Fernsehauftritte weiterbilden und vorbereiten. Live-Übertragungen von Gottesdiensten leiten und begleiten. Die Evangelischen Morgenfeiern und Auf-ein-Worte auf Bayern 1 und Bayern 3 koordinieren und regelmäßig auch selber sprechen. Unsere Homepage heißt evangelisch-im-br.de.
Warum haben Sie sich gerade für diesen Dienst entschieden?
Ich war neun Jahre lang Gemeindepfarrer in der Münchner Innenstadt, bin seit einigen Jahren Sprecher bei Auf-ein-Wort und war zweimal vor der Kamera in einem Live-Gottesdienst im Bayerischen Fernsehen. Dabei habe ich die Arbeit der Rundfunkbeauftragten aus der Nähe kennen gelernt, die mir viel Spaß gemacht hat.
Sie haben die gleiche Ausbildung/Studium wie "normale" Pfarrer?
(lacht) Klar, ganz normal. 10 Semester Theologiestudium und dann das Vikariat, wie alle anderen Pfarrer. Nach dem Vikariat habe ich zum Thema Gottesdienst und Ökumene promoviert, meine Doktorarbeit hat sich kaum mit Rundfunkgottesdiensten beschäftigt. Die Rundfunkarbeit ist ein spezielles Arbeitsgebiet, das ich erst später kennen gelernt und mich eingearbeitet habe. In der Ausbildung und Begleitung von zwei Vikaren habe ich viel gelernt, wie man Kollegen coacht, was meine Hauptaufgabe in meiner jetzigen Stelle ist.
Sind Sie fest angestellt oder gelten Sie als freiberuflich Arbeitender?
Wie sind Sie in die kirchliche Administration eingebunden?
Als Pfarrer der bayerischen Landeskirche bin ich Kirchenbeamter wie meine Kolleginnen und Kollegen auch. Ich arbeite am Schnittpunkt zwischen zwei Systemen: Der Kirche und dem Bayerischen Rundfunk, einem öffentlich-rechtlichen Sender.
Sie hören Ihre Stimme im Radio: Wie fühlen Sie sich dabei?
Erst mal komisch, dann gewöhne ich mich. Die Stimmen meiner Pfarrkolleginnen und -kollegen höre ich lieber als meine eigene.
Ein Pfarrer betreut eine Kirchengemeinde, hält Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten, Beerdigungen. Wie ist das bei Ihnen?
Das habe ich viele Jahre als Gemeindepfarrer auch gemacht. Und zwar sehr gerne. Heute mache ich das noch gelegentlich auf Anfrage und wenn es zeitlich geht. „Meine“ Gemeinde ist heute vor allem die Rundfunkgemeinde. Unseren Live-Gottesdienst aus Feldkirchen-Westerham werden über Deutschlandfunk an die 200.000 Zuhörer mitfeiern. Bei den Morgenfeiern auf Bayern 1 sonntags zwischen 10 und 11 Uhr hören sonntäglich bis an die eine Million Menschen zu. Das sind weit mehr Menschen, als an einem Sonntag in ganz Deutschland einen evangelischen Gottesdienst mitfeiern.
Predigen Sie live oder werden Ihre Predigten im Vorhinein aufgenommen?
Die Gottesdienste werden live übertragen, die Morgenfeiern und Auf-ein-Worte werden vorproduziert. Alles kann als Podcast ein Jahr lang nachgehört werden. Man kann die Podcasts beim BR oder beim Deutschlandradio auch abonnieren. Ich empfehle das natürlich sehr.
Einen Rundfunk-Gottesdienst hatten wir noch nie in unserer Gemeinde. Wie kam es dazu?
Durch den Kontakt mit Pfarrer Samuel Fischer, den ich bei der Verabschiedung von Pfarrer Höschler kennenlernte. So entstand und verwirklichte sich die Idee, gemeinsam einen Hörfunkgottesdienst aus der Emmauskirche Feldkirchen zu gestalten. Mit der Live-Übertragung für einige hunderttausend Mitfeiernde daheim muss man anders und viel, viel aufwendiger den Gottesdienst vorbereiten und feiern, als wenn sich die vertraute Gemeinde sonntags zum Gottesdienst trifft. Ich bin allen Mitwirkenden sehr sehr dankbar, dass sie sich auf dieses besondere, auch arbeitsintensive „Projekt“ einlassen. Besonders freut mich, dass ein besonderer Prediger gewonnen werden konnte: Christian Kopp, der neue Regionalbischof von München und Oberbayern. Sein erster Rundfunkgottesdienst seit seiner Einführung Anfang Februar war – in Feldkirchen-Westerham. Toll, oder?
Eine persönliche Frage: Sie wohnten in Feldkirchen-Westerham, sind Sie hier aufgewachsen?
Bis zu meiner Konfirmation 1990 bin ich in Feldkirchen groß geworden, wir haben in der Hirschbergstraße gewohnt. Heute wohne ich in München, in der Nähe des Flaucher.
Haben Sie Familie und was gefällt Ihnen an diesem Ort, dieser Gegend?
Ich lebe heute in einer Fernpartnerschaft zwischen München und Wiesbaden und habe viele Patenkinder. Meine Eltern sind bereits verstorben. Feldkirchen trage ich als schöne Kindheitserinnerung dankbar in meinem Herzen: Die Emmauskirche und die Kapelle Hohenfried, die Grundschule, die Spielplätze und Wälder, der Feldweg nach Westerham, der Lauser Weiher, meine Klavierlehrerin in Vagen und der Pfarrer Höschler und vieles mehr.
Hat ein Rundfunk-Pfarrer mehr Freizeit als ein "gewöhnlicher" Gemeindepfarrer und wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
(Lacht) Schön wär's. So phantastisch die Arbeit ist: Der Rundfunkpfarrer muss genauso um seinen dienstfreien Tag ringen wie die Gemeindepfarrerin auch, man ist nie ganz fertig. Der dienstfreie Tag ist aber wichtig, auch spirituell, sonst brennt man aus.
Mit Ihrer Rundfunk-Botschaft erreichen Sie Leute unterschiedlichster Glaubensrichtungen, auch solche, die mit der Kirche nichts am Hut haben. Sie werden nicht nur Lob, sondern auch Kritik ernten: Tut das weh?
Wer beim Radio- oder Fernsehgottesdienst einschaltet oder nicht ausschaltet, hat schon automatisch was mit Kirche am Hut, oder anders gesagt, mit der Frage nach dem Sinn und der Tiefe des eigenen Lebens, ob nun evangelisch, katholisch, ausgetreten, oder … Das spielt beim Rundfunk kaum eine Rolle. Grundsätzlich freue ich mich, wenn Feedback kommt und Leute sich die Mühe machen, uns zu mailen oder zu schreiben. Von Kritik kann ich lernen, daher will ich sie ernst nehmen. Kolleg*innen in der Rundfunkarbeit bekommen aber schon mal Hassmails und Beleidigungen von Reichsbürgern, Neonazis und anderen bis hin zu Drohungen. Das finde ich verstörend.
Herr Dr. Ihsen, ich danke Ihnen für das Gespräch.
(Das Interview führte Grete Kissel)